Atommüll: Die unendliche Geschichte

Radioaktiver Abfall strahlt Hunderttausende Jahre lang. Weltweit gibt es kein einziges Endlager. In Zwischenlagern verbuddelter Atommüll ist eine tickende Zeitbombe für nachkommende Generationen. Vor 60 Jahren kamen in Russland, England und USA die ersten kommerziellen Atomkraftwerke in Betrieb. Heute sind es weltweit etwa 440, aus denen jährlich rund 11 000 Tonnen abgebrannter Nuklearbrennstoff entladen werden. Dieser hochradioaktive Atommüll enthält über 100 Tonnen Plutonium und etwa 400 Tonnen Urantrümmer (=Spaltprodukte). Wer nur schon ein Millionstel Gramm Plutonium einatmet, kann an Lungenkrebs erkranken.
Umso erschreckender, dass all dieser Atommüll in Zwischenlagern vor sich hinstrahlt oder als gefährliches Handelsgut in arme Länder gelangt. Denn ein Endlager als dauerhafte Lösung existiert auf der ganzen Welt nicht.

Für die Grünen ist klar: So schnell wie möglich aussteigen aus der Atomenergie und nicht noch mehr Atommüll zu produzieren.
Seit Jahrzenten gibt es nicht nur in Deutschland daher eine heftige Diskussion über den richtigen und verantwortbaren Standort für ein Atommülllager. Auch die Schweiz ist seit Jahren dabei einen Endlagerstandort zu finden. In der Schweiz ist die nationale Gesellschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra, zuständig. Nach vielen Verzögerungen wird das Zwischenlager in Würenlingen gefüllt. Ein dauerhaftes Endlager ist noch nicht in Sicht. Gegen den Standort Wellenberg haben sich die NidwaldnerInnen erfolgreich gewehrt. Und in Benken, wo ein Lager für hochradioaktiven Abfall geplant wird, regt sich ebenfalls Widerstand.

Schweizer Atommülllager an der deutschen Grenze

Die Schweizer Regierung zieht bei ihrer Planung für die Endlagerung von Atommüll mehrere Gebiete nahe der deutschen Grenze in die engere Auswahl.
Als Standorte für hoch radioaktiven Müll schlägt die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) die Regionen Zürcher Weinland, Bözberg sowie Nördlich Lägeren vor. Zürcher Weinland und Bözberg werden dabei als sehr geeignet eingestuft. Für die Endlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle zieht die Behörde außer diesen drei Regionen zusätzlich noch die Gebiete Südliches Schaffhausen, Jura-Südfuss und Wellenberg in Betracht. Südliches Schaffhausen wurde dabei ebenfalls als sehr geeignet bewertet. Besonders auffallend ist, dass mit Ausnahme des Wellenbergs und des Jura-Südfußes ausnahmslos Regionen in der Nähe der Grenze zu Deutschland als geeignet betrachtet werden.

Quelle: Nagra, 2009


Der Schweizer Bundesrat bestätigte im Sommer 2006 die grundsätzliche Machbarkeit der sicheren Tiefenlagerung von hochaktiven Abfällen im Inland. Somit liegt der Nagra ein sogenannter Entsorgungsnachweis vor. Als nächstes soll entschieden werden, wo die Tiefenlager gebaut werden sollen. In der Verfügung zum Entsorgungsnachweis für HAA hat der Bundesrat die Fokussierung der weiteren Untersuchungen auf das Zürcher Weinland abgelehnt.
Die Kernenergieverordnung (KEV, Art. 5) schafft eine neue Ausgangslage, indem der Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Standortsuche durchführt. Am 2. April 2008 hat der Bundesrat den Konzeptteil zum Sachplan geologische Tiefenlager (SGT) genehmigt. Dieser regelt das Auswahlverfahren und die Kriterien für die Standortsuche. Ein Lager für die hochaktiven Abfälle (HAA) sollte frühestens ab 2040 zur Verfügung stehen, ein Lager für die schwach- und mittelaktiven Abfälle (SMA) frühestens ab 2030.
Die Federführung für den Prozess der Standortauswahl liegt beim Bund. Gegen den Entscheid der Bundesversammlung kann danach das fakultative Referendum ergriffen werden.

Quelle: Nagra, 2009

Die Interessen der deutschen Grenzregion sichern

In der vergangenen Legislaturperiode habe ich über die Grüne Fraktion eine Reihe von Anträgen in den Landtag eingebrachten, in denen die damals schwarz-gelbe Landesregierung auffordert wurde, sich ernsthaft für ein ergebnisoffenes Verfahren und eine echte Beteiligung der badenwürttembergischen Grenzregion einzusetzen. Die Landesregierung ist unseren Forderungen jedoch nur zögerlich und nur zum Teil nachgekommen.
Nach dem Regierungswechsel werde ich mich nun gemeinsam mit der neuen Landesregierung dafür einsetzen können, "dass die Schweiz die Interessen und Beteiligungsrechte der deutschen Grenzregion am Planungsprozess ihres atomaren Tiefenlagers in einem Abstand von 30 Kilometern vom Endlagerstandort gewährleistet" - so steht es im grün-roten Koalitionsvertrag.

Beteiligung auf gleicher Augenhöhe sicherstellen

Uns reicht es nicht aus, dass die Verteter deutscher Interessen gehört werden; die Begleitgruppe, an der Vertreter unserer Region teilhaben, muss ausreichend mit Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet werden. Für eine Beteiligung der Begleitkommission auf „gleicher Augenhöhe mit der Nagra“ ist unabdingbar, dass die zur Erlangung der Bewertungskompetenz notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen – einschließlich der Möglichkeit auf unabhängige Experten zurückgreifen zu können - zur Verfügung stehen bzw. gestellt werden. Daher ist es zwingend erforderlich, klare Regelungen zur finanziellen Ausstattung der grenzüberschreitenden Begleitgruppe in den Sachplan verbindlich zu verankern. Es ist keinesfalls ausreichend, lediglich eine deutsche Beteiligung an der Begleitgruppe zu fordern. Die Grüne Landtagsfraktion fordert, dass die Begleitgruppe direkt zu Beginn des Verfahrens einzusetzen ist, diese bereits bei der Festlegung der Sicherheitskriterien einbezogen wird und nicht erst ihre Arbeit aufnimmt, wenn durch die Benennung potenzieller Standortregionen bereits eine erste wichtige Weichenstellung ohne Beteiligung der Begleitgruppe erfolgt ist.

Für eine echte Beteiligung der betroffenen Region

Auch für den Fall von grenzüberschreitenden Meinungsverschiedenheiten wünschen wir uns klare Instrumente, die zu einer gleichberechtigten Berücksichtigung deutscher und Schweizer Interessen führen. Hierzu zählen nach Auffassung der Grünen Landtagsfraktion neben einem klaren Konfliktmanagement auch gleichberechtigte Kompensatzions- und Abgeltungsmaßnahmen, welche gegenüber der Schweizer wie der deutschen Bevölkerung gleichermaßen Anwendung finden müssen.
Die Grüne Landtagsfraktion erwartet zudem, dass das geplante atomare Tiefenlager auf die Atommüllmenge der heutigen Atomanlagen der Schweiz beschränkt bleibt. Dass die Schweiz nun wie Deutschland aus der Atomkraft aussteigt ist auch in dieser Hinsicht ein sehr positives Signal, wenngleich ein deutlich früherer Ausstieg aufgrund von Sicherheitsaspekten unbedingt notwendig erscheint.

Stellungnahme: Festlegung auf zwei Standorte zum jetzigen Zeitpunkt des Suchverfahrens deutlich verfrüht! [24 KB] vom 02.02.2015
Antrag "Berücksichtigung der Interessen und Sicherung der Beteiligungsrechte der deutschen Grenzregion am Planungsprozess des atomaren Tiefenlagers der Schweiz" [13 KB] vom 21.09.2009 (Drs. 14/5127).
Antrag "Sicherstellung der Berücksichtigung deutscher Interessen im Sachplanverfahren bei der Standortfestlegung des geologischen Tiefenlagers in der Schweiz" Drs. 14/4291) [42 KB] vom 22.04.2009.
Kleine Anfrage "Beteiligung an ausländischen Atomkraftwerken" [40 KB] (Drs. 14/2954) vom 09.07.2008.
Antrag zur Beteiligung grenznaher Regionen an der Standortsuche für ein atomares Tiefenlager in der Schweiz [49 KB] und die Antwort der Landesregierung (Drucksache 14/1134) vom 11.04.2007.

Pressemitteilungen

Datum Titel
13.11.2015 Lehmann fordert mehr Mitsprache für deutsche Gemeinden bei möglichen atomaren Endlagern in der Schweiz [199 KB]
02.02.2015 Festlegung der Schweiz auf lediglich zwei Standorte für ein atomares Endlager ist deutlich verfrüht [203 KB]
08.03.2012 Zum AKW Mühleberg: Sicherheit kennt keine Grenzen [199 KB]
25.05.2011 Landtagsabgeordneter Lehmann begrüßt Atomausstieg der Schweiz [155 KB]
23.06.2010 Staatsvertrag zum atomaren Endlager längst überfällig [236 KB]
23.10.2009 Bedeutung des atomaren Endlagers für den Landkreis Konstanz [200 KB]
18.09.2009 Lehmann fordert Staatsvertrag für atomares Endlager [200 KB]
15.09.2009 Schweizer Planungen gefährden Deutsche Beteiligung am Planungsprozess des atomaren Tiefenlagers der Schweiz [10 KB]
07.05.2009 Landesregierung scheut Verantwortung in Sachen atomares Endlager in der Schweiz [198 KB]
07.12.2008 Sicherheit kennt keine Grenzen [200 KB]
09.11.2008 Kein ehrliches Verfahren zur Standortsuche eines atomaren Endlagers [201 KB]
17.09.2008 Weder Benken noch Gorleben [200 KB]
08.07.2008 Keine Beteiligung an Schweizer Kernkraftwerken! [197 KB]
10.05.2007 Zögerliche Stellungnahme der Landesregierung [204 KB]
10.05.2007 Positionierung der Landesregierung [198 KB]
11.04.2007 Landesregierung muss sich einmischen [27 KB]
22.09.2006 Vorgehen bei Endlagerplanung [196 KB]